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Filmkritik: The Commuter

Alle Jahre wieder kommt nicht nur Weihnachten und Silvester, sondern auch Liam Neeson, um die Welt zu retten. Nun gut, diesmal gilt es nicht die eigene Tochter aus den Klauen von Menschenhändlern zu befreien (96 Hours) oder sich nach einer Bruchlandung gegen Wölfe zu wehren (The Grey – Unter Wölfen), sondern eine Verschwörung aufzudecken – und das in einem stinknormalen Pendlerzug.

Das Rezept, Liam Neeson in eine bedrohliche Situation zu stecken und ihn dann mit brachialer Gewalt heldenhaft befreien zu lassen, scheint immer wieder auf zu gehen. Der Schauspieler ist ein Sympathie-Magnet ohne gleichen und auch in The Commuter ist es der 65-Jährige, der den Film stemmt. Doch reicht ein trotz seines Alters gewitzter und fitter Liam Neeson letztlich aus, um die Zuschauer ins Kino zu locken? Zumindest lassen die bisherigen gemeinsamen Filme von Regisseur Jaume Collet-Serra und Liam Neeson Gutes erhoffen. Nach Unknown IdentityNon-Stop und Run all Night ist es wieder ein Film, in dem das eingespielte Team zusammenarbeitet. Aber hat das Duo im neuesten Machwerk gut daran getan, Neeson einen starken Kontrapart gegenüber zu setzen: Vera Farmiga. Denn, um gleich vorweg zu greifen: eine der intensivsten Szenen des Films, die überhaupt den ganzen Plot in Gang bringt, ist die Begegnung zwischen Neeson und Farmiga. Doch alles zu Anfang.

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Der Versicherungsmakler Michael MacCauley (Liam Neeson) ist ein typischer Otto Normalbürger. In rasanten Szenen wird uns in den ersten Minuten des Films sein Alltag und seine Familie vorgeführt, bei dem der Film gekonnt das Zentrum des täglichen Geschehens für MacCauley einrahmt, nämlich seine von Tag zu Tag stattfindende Fahrt mit dem Pendlerzug (Commuter) von einem Vorörtchen nach Manhatten und zurück. Die Familienidylle erhält jedoch recht schnell einen Dämpfer. MacCauley wird an einem Arbeitstag von hier auf jetzt gefeuert und schleppt sich nach einem Bier zu viel mit seinem Ex-Polizei Partner Murphy (Patrick Wilson) zum Pendlerzug, um nach Hause zu fahren und alles seiner Frau zu beichten. Mit sich und seinem Leben hadernd begegnet MacCauley im Zug plötzlich einer attraktiven Frau namens Joanna (Vera Farmiga), die ihn ohne scheu anspricht und sich einfach zu ihm setzt.

Was wie ein beschaulicher Flirt beginnt, entpuppt sich mehr und mehr zu einem mysteriösen Angebot. Joanna fragt MacCauley, ob er mithilfe von zwei Hinweisen eine bestimmte Person im Zug ausfindig machen würde, wenn ihm ein ordentlicher Geldpreis winkt. MacCauley hält das Ganze für einen dummen Scherz, doch als er nach Joannas Ausstieg aus dem Zug einen Teil der Belohnung in Form von 25.000 Dollar in einem Versteck auf der Zugtoilette findet, erkennt MacCauley das aus dem Scherz schnell Realität geworden ist. Als ihn daraufhin Joanna am Handy warnt, dass wenn er sich weigert, die Aufgabe in einer Stunde zu erfüllen, das Leben seiner Familie in Gefahr ist, startet in der beklemmenden Enge des Zuges ein rasanter Psychothriller.

The Commuter lebt insbesondere durch sein Setting. Beinahe ist man versucht zu sagen, dass der Film schamlos von Mord im Orient-Express stiehlt, denn im Grunde startet nach der Offenbarung der Aufgabe durch Joanna exakt die selbe Geschichte. Nur, dass nicht ein Mörder gesucht wird, sondern eine Person, damit der Mord an einer Familie verhindert wird. Über den Großraum des Filmes beginnt nun für Ex-Polizist MacCauley die nervenaufreibende Suche nach dieser Person. Seine einzigen Hinweise sind ein falscher Name und der Zielbahnhof des Unbekannten. Mit leichtem Krimi-Einfluss beginnt MacCauley sich nun von Person zu Person im Zug vorzuarbeiten und alle Auffälligkeiten auf mögliche Indizien zu überprüfen. Hier leistet der Film Glanzarbeit beim Aufbau der Spannung. Gekonnt spiegelt sich die zuspitzende Situation in Form der Deadline von einer Stunde mit MacCauleys zunehmenden Stresspegel wieder und wird hervorragend an den Nebenfiguren ausgespielt, die recht schnell merken, dass ein wohl verrückter Typ wild durch die Waggons rennt und Leute belästigt.

Leider scheint ab einem gewissen Punkt Hollywoods Wille nach Action zuzuschlagen. Denn nach dem zweiten Drittel des Films, der wunderbar durch die klaustrophische Situation des Zuges und dem Spiel von Neeson und den Passagieren lebt, muss dann auch mal zugeschlagen werden. Die Konfrontation mit einem Bösewicht meistert Ex-Boxer Neeson mit Bravour, doch scheint dies ein Wendepunkt im Storystrang zu bedeuten, der Abschied nimmt vom schönen Spannungsaufbau eines Mord im Orient-Express und dafür die rasante Fahrt eines Actioners wie Speed annimmt. Ab diesen Punkt sind wir im altbekannten Liam-Neeson Metier angekommen, wie wir es aus 96 Hours kennen. MacCauley dreht den Spieß um, droht seinen Bedrohern und die gesamte Handlung steuert ab da ziemlich schnell dem actionreichen Ende entgegen. Das Ganze macht zweifellos Spaß zuzuschauen, doch wirkt der plötzliche Actionverlauf angesichts des behutsam inszenierten Verschwörungsthemas um der geheimnisvollen Joanna etwas fehl am Platz. Nicht nur das, es spielt ab dem Action-Part des Films keine Rolle mehr und wird auch nicht weiter behandelt. Auch der Überraschungseffekt, wer mitunter Drahtzieher um die Bedrohung von MacCauleys Familie ist, nimmt man relativ gelassen hin, weiß man doch, dass Neeson sehr gut und schnell alles mit Waffe oder Faust regeln wird.

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Letztlich wird die Vorahnung zur Gewissheit: Auch The Commuter ist ein Film, der letztlich von und mit Liam Neeson lebt. Und der 65-Jährige schafft es gekonnt, mit seinem Beschützer-Mentalitäts-Charakter Beliebtheitspunkte abzuholen. Fraglich ist, ob diese über den ganzen Film hinweg ausreichen. Die erste Hälfte des Films lebt von dem Nervenkitzel und der aufreibenden Stimmung in der Enge des Zuges. Als Zuschauer weiß man, dass diese irgendwann ausbrechen muss. Doch hier hätte man statt einem Vulkan vielleicht ein Feuerchen gezündet, denn die anfänglich intensive Spannung von MacCauley und Joanna samt der geheimnisvollen, gesuchten Person, das alles verpufft zunehmends, dass Regisseur Collet-Serra es ab der Action-Sequenz auch nicht mehr für nötig hält, genau zu erklären, was denn hinter der Verschwörung steckt.

Unsere Wertung

Pros

    Cons

      Fazit

      Trotz seiner Jahre auf dem Buckel merkt man Liam Neeson das Alter nicht an. The Commuter vermischt gekonnt Thriller und Action in der ausweglosen Situation des Zuges. Neeson beweist sich gekonnt als alter Schnüffler, der sein Können noch nicht verloren hat und gleichauf als Action-Veteran, der sich seiner Haut zu erwehren weiß. Letztlich strahlt in einem Liam Neeson Film eben solcher heraus, weswegen Nebenfiguren, allen voran Gegenspielerin Vera Farmiga als Joanna etwas untergehen. Dies macht dem Filmvergnügen jedoch keinen Abbruch. Wer einen Psychothriller sucht, bei dem ein starker Liam Neeson in Bestform glänzt, dem sei The Commuter angeraten.
      7
      Gut

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