Skandinavische Mythologie umgibt eine ganz besondere Faszination und Magie. Von knorrigen Trollen über weissagende alte Frauen, bis hin zu Dunkelelfen und dem heldenhaften Askeladden, der all diesen Gefahren trotzt, steckt sehr viel mehr Materie in den Sagen als bloß Nordgötter wie Odin oder Thor. Regisseur Mikkel Braenne Sandemose haucht dem Askeladden (auf Deutsch: Aschenjunge) ein weiteres Mal leben ein und schickt nach dem ersten Film „Espen und die Legende vom Bergkönig“ seinen Protagonisten auf das nächste Abenteuer. Jetzt hat Espen die Legende des goldenen Schlosses vor sich und muss auf seiner Reise zahlreichen Gefahren trotzen. Ob der Schatz es wert ist oder hier bloß Luftschlösser gebaut werden, erfahrt ihr in unserer Filmkritik!
Als die norwegischen Holzfällersöhne Per und Pål unter Verdacht geraten, den König und die Königin bei einer Feier vergiftet zu haben, ist ihr Bruder Espen (Vebjørn Enger) ihre Einzige Hoffnung auf Rettung. Gemeinsam mit Prinzessin Kristin (Eili Harboe) macht er sich auf die Suche nach Soria Moria, einem geheimnisvollen und märchenhaften Schloss aus Gold. Legenden zufolge soll sich dort ein Brunnen befinden, der das Wasser des Lebens und somit das einzige Heilmittel für das Königspaar enthält. Allerdings hat es auch eine Gaunerbande um die verschlagene Schurkin Ohlmann (Sidse Babett Knudsen) auf die großen Reichtümer abgesehen. Für Espen und Kristin beginnt eine Reise voller Mythen, Gefahren und Prüfungen.
Als im Jahr 2001 Der Herr der Ringe: Die Gefährten in die Kinos kam, veränderte sich die Filmwelt für immer. Denn selbst nach 20 Jahren neigt man noch dazu, jeden einzelnen Fantasy-Film, der seitdem veröffentlich wurde, an dem Herrn der Ringe zu messen, ob bewusst oder ungewollt. Eine Filmreihe, die sich so ins Bewusstsein von Filmfans gebrannt hat, ist quasi omnipräsent – selbst wenn ein Film gar nicht die Ansprüche hat, den Level von Peter Jackson’s Meisterwerk erreichen zu wollen, muss er sich oft eben diesen Maßstäben unterziehen. Auch Espen & Die Legende vom Goldenen Schloss weist deutliche Parallelen auf. Der Protagonist und seine Brüder könnten, mal abgesehen von der Körpergröße, durch ihren herzlichen, ländlichen Charme und ihre Optik durchaus als Hobbits durchgehen. Die lange und beschwerliche Reise mit festem Ziel vor Augen gleicht Frodos Mission mit dem Einen Ring und auch Tolkien hat nicht nur einmal Trolle in seine Werke einfliessen lassen. Allerdings orientiert sich Espen & Die Legende vom Goldenen Schloss wesentlich stärker an der nordischen Mythologie, verkörpert sie regelrecht.
Im Original heißt der Film Askeladden, der Aschenjunge, der eine fiktive Gestalt in vielen nordischen Sagen und Märchen darstellt. Der Askeladden ist oft ein Underdog oder Nichtsnutz, dem es gelingt, durch eine heroische Tat oder Reise über sich hinaus zu wachsen und dadurch Ruhm zu erlangen. Oft hilft er dabei Prinzessinnen oder Königen aus der Not. All das trifft auf Espen & Die Legende vom Goldenen Schloss zu, der Film erweckt also die alten nordischen Märchen im etwas moderneren Gewand zum Leben. Aber leider ist genau das wohl das größte Problem des Films.
Espen & Die Legende vom Goldenen Schloss wirkt, als müsse es sich extrem genau an die Vorgaben der Sagen halten. Alles ist schablonenhaft, jede Rolle passt perfekt in ein vorgefertigtes Bild. Wenn der Film mal von den Märchen abweicht, erfüllt er im Gegenzug jedes Filmklischee, das es gibt. Die Prinzessin ist keine hilflose Maid sondern weiß sich auf taffe Art selbst zu helfen, die Schurken sind nicht ganz so furchteinflößend, wie sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen und auch sonst kann man jeden Twist und jede Lösung einer Situation meilenweit vorausahnen. Der Film möchte jedem gefallen, ohne große Risiken einzugehen oder über die Stränge zu schlagen und das ist in jeder Szene spürbar. Auch Familienfilme dürfen gerne etwas ausprobieren, Neues wagen oder auch mal den etwas verzweigteren Weg gehen, ohne Angst haben zu müssen, sein Publikum zu vergraulen.
Trotzdem ist Espen kein schlechter Film, er ist aber einfach auch nicht besonders gut. Die Actionszenen sind okay, die schauspielerische Leistung ebenfalls, und auch die Spezialeffekte sind passabel. Leider kann man hier aber nirgendwo besonders begeistern, da sich der Film auf einem konstant durchschnittlichen Niveau bewegt. Ein paar kleine Highlights kann Espen trotzdem vorweisen: Wenn sich die dänischen Räuber über die Unterschiede zur norwegischen Sprache beömmeln, oder die Suche nach einem Rückkehrer aus dem Goldenen Schloss die Helden in ein Generationenhaus führt, wie man es bisher wohl noch nicht gesehen hat, wird deutlich, dass der Film humortechnisch am ehesten punkten kann.
Überhaupt bedient sich Espen gerne in der Klamauk- und Slapstick-Kiste. Da bleiben übergroße Nasen in Baumstümpfen stecken, Siebenmeilenstiefel befördern Personen mit einem gewaltigen Satz direkt in einen Baum. Allzu tief gräbt der Film dann jedoch nicht, es bleibt auch hier bei reduzierten Nuancen ohne komplett in Blödeleien auszuarten. Hätte man seinen Fokus gänzlich auf den Humor gesetzt und es in Richtung einer Persiflage gelenkt, wäre das Endergebnis wohl stimmiger gewesen, da man hier aber möglichst viele Felder abdecken wollte, kann man in keinem so wirklich brillieren.
Espen & Die Legende vom Goldenen Schloss bleibt seiner Märchenvorlage treu und man bekommt zumindest einen Einblick in die nordische Sagenwelt. Die Landschaften Norwegens sind schön anzusehen, wären jedoch noch schöner, wenn der rote Faden kein so dickes Seil wäre, das geradlinig vom Beginn zum Ziel hin aufgespannt wäre. Ein Film für Groß und Klein für zwischendurch, der allerdings leider keine großen Trollspuren in der Filmlandschaft hinterlassen dürfte.
Espen & Die Legende vom Goldenen Schloss ist bereits auf DVD, Blu-Ray und Digital erhältlich.